Kunst liegt im Auge des Betrachters“ Diese Feststellung bestätigt sich immer wieder bei Führungen in unserer Kirche: am Tag des offenen Denkmals, bei Besichtigungen durch Schulklassen, aber auch in Äußerungen von Gemeindemitgliedern, denen etwas überhaupt nicht gefällt.
Da wäre z.B. der Altar unserer Kirche: Ein großer Quader aus geschwärztem lndustriestahl, in der Mitte eine senkrechte Lücke, gefüllt mit gebackenen, bewusst nicht gebrannten Platten aus dem Lehm eines Baches. Denn diese Platten könnten, herausgenommen und angefeuchtet, Pflanzen Leben ermöglichen. Nach dem Empfang des Abendmahls äußerte ein Gemeindeglied: „Ich hatte den Eindruck, neben einem Sarg zu stehen!“ Wie richtig ist diese Empfindung: Christen gedenken doch beim Abendmahl des Todes Christi! Und beim Füllen der Lücke in der Mitte des Altars fügten sich die Platten unbeabsichtigt so, dass man mit etwas Phantasie – in der Mitte einen Kelch erkennen kann, wie ihn Jesus am Kreuz angenommen hat: Vater, nicht mein, sondern Dein Wille geschehe!
Der Flügelaltar zeigt Bilder aus dem Leben Jesu. Die Tafel von seiner Geburt zeigt im Hintergrund den Turm unserer Kirche. Das ist kein historischer Beweis für die Geburt Jesu in Worms-Hochheim, aber sehr wohl die Zusage: Für alle Menschen, auch die in Hochheim, ist Jesus Mensch geworden, gestorben und auferstanden, wir alle können sein Erlösungswerk im Glauben annehmen!
Und dann ist da noch die seltsame, fremd anmutende Röhreninstallation aus der rechten Seite des Altarraumes: rostige Röhren, die auch noch verbogen sind. Schulklassen der Gas- und Wassertechniker wenden ein: Röhren sollten möglichst gerade sein! Es folgt ein Gang durch die Kirche: Von der Seitentür aus gesehen, sind die Rohre nach rechts gebogen. Von der Ecke des Geländers zur Krypta scheinen sie parallel zu verlaufen, vom Fuß der Kanzel aus nach links gebogen. Überhaupt nicht! Der Titel dieser Installation lautet „Austausch“, Schüler, Lehrer und Besucher haben zweimal ihre Standorte gewechselt, ein drittes Mal zur Altarwand. Sie begriffen: Unsere Leben verläuft nicht geradlinig, es verändert sich mit der Zeit und mit ihr unsere Einstellungen, Erfahrungen, unser Glaube. Doch die Röhren symbolisieren die beständige Kontaktmöglichkeit zwischen Gott und Mensch, auch wenn unser Leben nicht ohne Umwege verläuft. Gott schreibt auch auf krummen Linien gerade! Die Botschaft, die von dieser Skulptur ausgehen könnte: Austausch zwischen Gott und Mensch ist möglich, auch wenn das nicht ohne Umwege sein muss, auch wenn es zeitweise Blockaden – erkennbar in dem Stabilisierungsklotz zwischen den Röhren – geben sollte.
Im Rahmen einer Ausstellung der Reihe “Kunst und Kirche” stellte der Bildhauer Marcus Centmayer im März 1990 u.a. eine Bodenskulptur mit dem Titel “Wandlung” aus. Besucher der Ausstellung, die diese Arbeit in der Krypta sahen, aber auch Teilnehmerinnen und Teilnehmer an den in der Krypta stattfindenden Fastenandachten äußerten, dass diese Skulptur sich gut in den Raum einfüge. 1990 konnten wir die Skulptur aus zweckgebundenen Spendenmitteln erwerben. Die Skulptur ist aus Granit gearbeitet. Es ist ein alter Wormser Bordstein. Der Künstler hat sich in den Stein hineingearbeitet. Dabei sind drei Kammern ( 13×13 cm ) entstanden. Aber es entsteht ferner der Eindruck, dass dieser Weg weiter zu gehen sei. Wer in einen Wormser Bordstein eindringt, der setzt sich mit der Geschichte dieser Stadt auseinander. Wer in einen Wormser Bordstein eindringt, sieht plötzlich ganz unterschiedliche Menschen ihre Wege ziehen, Glückliche und Unglückliche, geliebte Menschen und verhasste Menschen, Menschen aller Altersgruppen, die verschiedenen Generationen. Es bleibt nicht aus, dass wir dabei auf Wunden stoßen. Wunden schmerzen. oftmals sind sie entzündlich und heiß. Also ist es gut, die Wunden immer wieder zu kühlen. Das geschieht bei dieser Skulptur. Und es tut wohl, wenn sich dann Stein, Weg, Wunden, Wasser und der Lichterschein der Kerzen miteinander verbinden.

Künstler:

Madeleine Dietz (Altar) – Biographie

Kurt Scriba (Flügelaltar)

Marcus Centmayer (Bodenskulptur Wandlung)

Peter Schöffel (Röhreninstallation, Wetterhahn, Kreuz Südportal)

– 1962 geboren in Speyer

– Schulausbildung in Speyer – 1981 Abitur

– 1981-84Lehre im Schlosser- und Schmiedehandwerk

– 1989-91 Zeichenunterricht bei Peter Zeiler in München

– 1991 Meisterprüfung in München

– Stipendium in Venedig, Weiterbildung bei dem Bildhauer und Schmied Alfred Habermann, Ausbildung in der Denkmalpflege

– 1992 neuer Wohnsitz in Worms-Leiselheim, arbeitet als Metallgestalter bei Hermann Gradinger in Mainz-Gonsenheim

– Juni 1996 Teilnehmer am Bildhauersymposium im Kloster Limburg/Bad Dürkheim, Entwurf und Ausführung einer Marienskulptur für die Klosterkirche

– ab 1998/99 selbstständig tätig

 

 

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